Von der ersten Idee bis zum neuen Fahrschein: Die Einführung eines neuen landesweiten Nahverkehrstarifes

Der Wettbewerb im Schienenpersonenverkehr ist eine Erfolgsgeschichte, die gerade auch im Jahr 2014 – zum zwanzigjährigen Jubiläum der Bahnreform – oft erzählt wird. Nicht unerwähnt bleibt dabei, dass in einzelnen Bereichen noch viele Probleme im Zusammenhang mit der besonderen Stellung der Deutschen Bahn AG auftreten. Neben sehr vielen Fragen zur Infrastruktur und dem Infrastrukturzugang taucht dabei auch immer wieder das Themenfeld Tarif, Vertrieb und Einnahmenaufteilung auf.

Dieses Themenfeld war auch der Auslöser für ein groß angelegtes Beratungsprojekt, dass BSL zusammen mit weiteren Kooperationspartnern für einen SPNV-Aufgabenträger bearbeitet hat. Im Kern ging es um drei Fragen:

1. Wie kann trotz der gewollten Anbietervielfalt im SPNV ein einheitlicher Tarif sichergestellt werden?
2. Wie ist der Fahrscheinvertrieb im Spannungsfeld zwischen Wettbewerb und Standardisierung zu organisieren?
3. Wie ist die Einnahmenaufteilung technisch und organisatorisch zu gestalten, damit sie für alle Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) nachvollziehbar ist?

Aufgrund des breiten Aufgabenspektrums und der Vielzahl der Projektbeteiligten besaß das Projektmanagement einen hohen Stellenwert und sicherte die rasche Umsetzung der Projektergebnisse. So wurden nämlich alle wesentlichen konzeptionellen Arbeiten durch entsprechende Arbeitsgruppen und einen zentralen Lenkungskreis begleitet, die von BSL moderiert wurden. Ebenfalls erforderte die Koordination der beteiligten Dienstleister (u.a. IT-/Software-Entwickler, Vertriebsdienstleister, Marktforschung, Rechtsanwaltskanzlei) umfassende Arbeiten im Projektmanagement bei der Termin- und Kapazitätssteuerung.

Einheitlicher SPNV-Landestarif

Mit dem Projektabschluss wurden die unternehmensindividuellen Tarife durch einen einheitlichen Landestarif abgelöst, der auf dem Gebiet von drei Bundesländern für den Fahrgast einen einfachen Zugang zum SPNV ermöglicht. Eine Aufwertung hat der Tarif dadurch erfahren, dass in ausgewählten Kommunen der SPNV-Fahrschein optional vom Kunden zum Busfahrschein aufgewertet werden kann („Anschlussmobilität“). In die Gestaltung des Tarifes und der einzelnen Tarifprodukte flossen selbstverständlich auch die Erkenntnisse aus Marktforschungsbefragungen ein.

Für den Fahrscheinvertrieb wurde ein Konzept erarbeitet, das seine Umsetzung mit dem Eingang in die neuen Verkehrsverträge erfährt. Zusammen mit den Beteiligten wurde ein Markt-/ Organisationsmodell erarbeitet, das so viel unternehmerischen Freiraum für die EVU wie möglich und so wenig zentrale Koordination wie möglich enthält. Gleichzeitig wurden erste Ausschreibungen für zentrale Vertriebskanäle vorgenommen. Die Konzeption der Ausschreibungen („Lastenheft“) und deren Begleitung erfolgte ebenfalls unter Beteiligung von BSL und seinen Kooperationspartnern.

Transparente Einnahmenaufteilung durch gemeinsame Tarifgesellschaft

Für die bis dato konfliktträchtige Einnahmenaufteilung wurde ein neues Verfahren konzipiert und IT-seitig umgesetzt. Im neuen Verfahren wird die Aufteilung überwiegend anhand von IST-Vertriebsdaten vorgenommen. Hierzu werden die relationsbezogenen Fahrscheine ausgewertet und mit den EVU-spezifischen Fahrplänen in einem Routingverfahren abgeglichen. Darüber hinaus haben die EVU die Möglichkeit, umfangreichen Einblick in das Verfahren zu bekommen.

Gewährleistet werden diese unternehmensneutralen Aufgaben durch eine Tarifgesellschaft, an der sowohl die EVU als auch die Aufgabenträger beteiligt sind. Eine schlanke Organisationsstruktur sorgt für eine pragmatische und wirtschaftliche Aufgabenerfüllung. Die Entwicklung dieser Gesellschaft wurde von BSL Transportation zusammen mit einer Anwaltskanzlei vorgenommen.

Für die kundenbezogene Kommunikation wurde ein Marketingkonzept erarbeitet, das den neuen Tarif und seine Vorzüge klar und prägnant vermittelt. Im Vorfeld wurde dazu unter den Beteiligten eine Kommunikationsstrategie erarbeitet, die den beteiligten (regionalen) Verkehrsunternehmen und (regionalen) Organisationen ihre Eigenständigkeit am Markt und damit die Verantwortung für den Kundendialog belässt.

 

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26. September 2014