Für einen modernen Kundenservice erscheint die Nutzung von spezifischer Software mittlerweile fast schon essenziell. Gleichzeitig ist die Anschaffung einer solchen Software häufig mit sehr hohen Kosten verbunden. In Abhängigkeit vom Funktionalitätsumfang und der Anzahl der Lizenzen sind schnell Gesamtkosten in Millionenhöhe erforderlich.
Aber lohnt sich eine solche Investition im Kundenservice für Verkehrsunternehmen überhaupt? Sind speziell im ÖPNV-Kundenservice nicht andere Faktoren entscheidender? Und welche Rolle spielen ÖPNV-spezifische Prozesse bei der Auswahl und Implementierung einer solchen Software?
Untersuchungen zeigen, dass es an der Schnittstelle zu den Kunden*innen nur wenige Themen gibt, die eine höhere Bedeutung besitzen als der Kundenservice. Ein guter Kundenservice kann sogar alleiniger Grund für den Kauf eines Produktes sein. So gaben 74% der Befragten in einer von Genesys durchgeführten Studie den guten Ruf im Kundenservice als Hauptargument für einen Kauf an. Ein besonders wichtiges Kriterium für Zufriedenheit mit dem Kundenservice ist es, schnelle Antworten zu erhalten, wie 51% der Befragten bestätigten (Genesys 2019).
Zugleich zeigte die Befragung, dass sich im Zuge der Digitalisierung die Anforderungen der Kunden*innen verändert haben. Klassische Kontaktkanäle sind noch immer von hoher Bedeutung. 62% der von Genesys Befragten gaben an, dass der beste Kundenservice von Menschen geleistet wird, allerdings erwarten 67% auch digitale Support-Kanäle (Genesys 2019).
Investitionen in den Kundenservice sind also sowohl vor dem Hintergrund der Kundengewinnung als auch Kundenbindung wichtig. Spezifische Software-Lösungen sind dabei ein entscheidender Erfolgsfaktor. Unsere Erfahrung aus vielen Projekten zeigt jedoch, dass die alleinige Implementierung einer solchen Software nicht ausreicht. Insbesondere die Verzahnung und Abstimmung der Software mit den Prozessen ist im Kundenservice von hoher Bedeutung. Diesen Spagat zu meistern ist schwierig und vor dem Hintergrund der Spezifika des ÖPNV-Kundenservice besonders herausfordernd.
Kurze Antwortzeiten sind im Kundenservice ein wichtiges Qualitätskriterium. Der Erwartungsdruck ist nicht nur von Seiten der Kunden*innen hoch, ambitionierte Service-Level-Agreements gehören im ÖPNV zum Standard. Die internen Prozesse sind für die Erfüllung dieser Erwartungshaltung entscheidend. Warum sind Prozesse hierfür so wichtig? Sie können dabei helfen,
Dementsprechend helfen klare Prozesse vor allem bei der Koordinierung von Anliegen, die nicht unmittelbar vom ‚1st Level Support‘ beantwortet werden können, oder für die verschiedene Fachbereiche eingebunden werden müssen.
Wir haben in vielen Projekten die Erfahrung gemacht, dass Prozesse im Kundenservice diverser ÖPNV-Unternehmen entweder nicht, nur in rudimentärer, oder in veralteter Form vorliegen.
Zur Effizienzsteigerung empfiehlt es sich daher (fast) immer, die bestehenden Prozesse separat aufzunehmen. Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang meist auch die Analyse der Zeitbedarfe einzelner Prozesse, um wesentliche Aufwandstreiber zu identifizieren und Potenziale zu quantifizieren. Wir nutzen hierfür spezifische Tools und Methoden, die sich bereits im Rahmen vieler unserer Projekte für Verkehrsunternehmen bewährt haben.
Insgesamt zeigt die Erfahrung: Prozesse haben eine hohe Relevanz für guten Kundenservice im ÖPNV und gewinnen im Rahmen der Digitalisierung weiter an Bedeutung.
Neben optimierten Prozessen können insbesondere spezifische Softwarelösungen für eine höhere Effizienz sorgen und Mitarbeiter*innen dauerhaft entlasten. Die besondere Herausforderung im ÖPNV ist, dass eine Standardlösung in den meisten Fällen nicht die gewünschten Effekte bringt. Zu spezifisch sind die genutzten IT-Systeme und die damit verbundenen Schnittstellen sowie die thematischen Anforderungen im ÖPNV-Kundenservice (wie z.B. das Management von EBE- bzw. Mehrgebühren- oder auch Schadensfällen).
Gleichzeitig bieten moderne Softwarelösungen viele Funktionalitäten, die Bearbeitungsvorgänge beschleunigen und im Idealfall einzelne Bearbeitungsschritte überflüssig machen können. Mittels automatisierten Routingfunktionalitäten können beispielsweise eingehende Anliegen inhaltlich analysiert und auf Basis dieser Voruntersuchung automatisch der richtigen Bearbeitungsgruppe zugewiesen werden. Dadurch kann der Aufwand der inhaltlichen Vorsortierung, Strukturierung und Zuweisung von Anliegen häufig deutlich minimiert werden.
Ebenso können integrierte Wissensmanagement-Funktionalitäten dabei helfen, Antwortzeiten zu verkürzen und die Prozesseffizienz zu steigern. So können im Sinne einer „Hilfe zur Selbsthilfe“ Weiterleitungen vom ‚1st Level Support‘ in den ‚2nd oder 3rd Level Support‘ im Idealfall vermieden werden, weil das erforderliche Know-how für die Beantwortung von spezifischeren Anliegen in einer Wissensdatenbank gespeichert und automatisiert abrufbar ist. Zudem ist der Aufbau von spezifischen Self-Service-Bereichen für die Kunden*innen mithilfe solcher Funktionalitäten unkompliziert und mit wenig Aufwand umsetzbar.
Nicht in jedem Umfeld eignen sich diese Funktionalitäten gleichermaßen, und nicht zuletzt ist die Nutzung der verschiedenen Möglichkeiten einer solchen Software auch eine Frage der Philosophie und strategischen Ausrichtung im jeweiligen Verkehrsunternehmen.
Im ÖPNV ist zudem eine genaue Definition, welche Systeme mittels welcher Schnittstelle an die Kundenservice-Software angebunden werden sollen, sehr wichtig. Besonders relevant sind nicht nur die Schnittstellen zu bestehenden Vertriebs- und CRM-Systemen (z.B. PTnova), sondern auch zu betrieblichen Systemen (z.B. RBL oder BMS), da im Kundenservice häufig auf Datenbestände dieser Systeme zurückgegriffen werden muss. Darüber hinaus hilft eine detaillierte Beschreibung der Anforderungen, die Software auf die spezifischen Aufgaben im ÖPNV-Kundenservice anzupassen.
Aus unserer Projekterfahrung wissen wir, dass die „große“ Lösung (z.B. Salesforce, Zendesk) nicht immer die beste sein muss. Die Berücksichtigung von Nischenanbietern oder eigenentwickelten Lösungen von anderen Verkehrsunternehmen ist in den meisten Fällen sehr lohnenswert.
Um größtmögliche Synergien zwischen Prozessen und Software ausschöpfen zu können, sollte die Software sinnvoll in die bestehenden Prozesse sowie die bestehende Organisation eingebettet werden. Die Nutzung einer modernen Software sollte gerade für ÖPNV-Unternehmen kein Selbstzweck sein, sondern systematisch zur Verbesserung der bestehenden Arbeitsabläufe beitragen.
Eine strukturierte Aufnahme und Optimierung der Prozesse im Kundenservice sollte daher stets der Einführung einer neuen Softwarelösung vorausgehen. Auf dieser Basis sollte im Anschluss ein konkreter Anforderungskatalog erarbeitet werden, der potenziellen Anbieter*innen ein genaues Bild der spezifischen Bedarfe vermittelt.
In diesem Sinne stellt der Anforderungskatalog auch eine Zusammenfassung der wesentlichen Rahmenbedingungen dar. Häufig führt das Fehlen eines Anforderungskataloges zur Beschaffung von nicht passender oder nicht den tatsächlichen Anforderungen der Mitarbeiter*innen entsprechenden Software. Insbesondere vor dem Hintergrund der hohen Kosten einer Softwarebeschaffung ist dieser Schritt also von großer Wichtigkeit.
Als anerkannter Branchenspezialist kennen wir die Herausforderungen im ÖPNV-Kundenservice genau und können auf einen breiten Erfahrungsschatz verschiedener Projekte zur Prozessoptimierung, Softwareeinführung und Organisationsgestaltung im Kundenservice zurückgreifen.
Für weitere Informationen steht Ihnen unser erfahrenes Projektteam sehr gerne zur Verfügung.
Autor: Max Kubisch
19. April 2021