Der öffentliche Verkehr bietet eine Reihe von Vorteilen: Neben der wichtigen Mobilitätsversorgung und der damit verbundenen sozialen und wirtschaftlichen Bedeutung schont er die Umwelt durch geringere Emissionen im Vergleich zur Pkw-Nutzung.[1] Allerdings ist der Umwelteffekt zunächst nicht so einfach zu bestimmen, da durch die Bereitstellung des ÖPNV auch Radfahrer*innen und Fußgänger*innen ihre Mobilitätswahl anpassen könnten. Daher gibt es in der Wissenschaft verschiedene Ansätze, um den Umwelteffekt der Bereitstellung zu messen.[2] Dieser Artikel gibt eine Übersicht über bestehende Studien.
Einerseits gibt es Modelle, die die Effekte der Mobilitätswahl berechnen oder simulieren. Andererseits gibt es empirische Ansätze, die die kausalen Effekte der Mobilitätswahl durch veränderte reale Bedingungen messen. Beispielsweise bieten Streiks im ÖPNV oder der Bau zusätzlicher Bahnstrecken interessante Möglichkeiten für eine quasi-experimentelle Evaluation. Dabei machen sich die Forschenden die Tatsache zunutze, dass es in der realen Welt versuchsähnliche Bedingungen gibt, aus denen sich kausale Zusammenhänge ableiten lassen.
Streiks erlauben eine empirische Abschätzung der Auswirkungen des Ausfalls bestimmter Verkehrsmittel im ÖPNV, da in diesem Fall viele Menschen gezwungen sind, alternative Mobilitätsentscheidungen zu treffen. Dabei dürfte es sich um eine eher konservative Schätzung handeln, da sicherlich einige Personen auf eine Fahrt verzichten werden.
Die Auswirkungen von Streiks auf die Luftqualität wurden beispielsweise in Barcelona in zwei Studien untersucht. Die erste Studie zeigt, dass Stickstoffoxide, Kohlenmonoxid, Feinstaub und schwarzer Kohlenstoff durch Streiks ansteigen, und dass diese Effekte an vollen Streiktagen und bei mehrtägigen U-Bahn-Streiks stärker ausgeprägt sind.[3] In einer zweiten Studie wurden höhere Werte von Stickstoffoxiden, Schwefeldioxid, Kohlenmonoxid und Feinstaub während Streiks festgestellt, insbesondere bei U-Bahn- und Bahnstreiks.[4] Eine Studie aus Deutschland zeigt darüber hinaus, dass die durch Streiks verursachte Zunahme des Verkehrsaufkommens und der Fahrzeiten zu einer verstärkten Nutzung des Autos und damit zu einer Verschlechterung der Luftqualität führt.[5]
Eine weitere Möglichkeit, die Umweltwirkungen des ÖPNV empirisch zu messen, besteht darin, bei einem Ausbau des ÖPNV die dadurch veränderten Mobilitätsentscheidungen und Umwelteffekte abzuschätzen. Zum Beispiel zeigt der Ausbau eines Stadtbahnnetzes in den USA, dass durch die Erweiterung des Netzes der Autoverkehr und damit auch die CO2-Emissionen reduziert wurden.[6]
Die untersuchten Studien zeigen, dass die Bereitstellung bzw. Verbesserung des ÖPNV zu einer Verbesserung der Luftqualität und zu einer Verringerung der CO2-Emissionen führt. Für eine vollständige und umfassende Betrachtung der Nachhaltigkeit wäre es natürlich wünschenswert, weitere Aspekte wie Lärmbelästigung, Wasserverschmutzung, hydrologische Auswirkungen, Beeinträchtigung von Lebensraum und Ökologie und Erschöpfung nicht erneuerbarer Ressourcen zu berücksichtigen.[7] Das führt uns zu der nächsten Frage, welche weiteren Zusatznutzen der ÖPNV beisteuern kann.
Neben den direkten Vorteilen der Emissionsreduzierung gibt es auch sogenannte Co-Benefits, die indirekte Vorteile bieten, wie z.B. eine verbesserte Gesundheit der Bevölkerung durch geringere Luftverschmutzung, weniger Lärm oder weniger Verkehrsunfälle.[8] Darüber hinaus kann er auch zu einer gesünderen aktiven Mobilität führen, da die Menschen zu Fuß oder mit dem Fahrrad zur Haltestelle kommen. Eine Studie in Deutschland zeigt anhand von 71 ÖPNV-Streiks in den Jahren 2002 bis 2011 methodisch eindrucksvoll, dass die Bereitstellung von ÖPNV viele Co-Benefits hat.[9] So führt die erhöhte Autonutzung während Streiks zu 14 Prozent mehr Verkehrsunfällen, 20 Prozent mehr Unfallverletzten und 11 Prozent mehr Krankenhauseinweisungen wegen Atemwegserkrankungen bei Kleinkindern. Daraus lässt sich ableiten, dass der ÖPNV durch die Vermeidung von Unfällen und Krankenhausaufenthalten von Kleinkindern wichtige positive Auswirkungen auf die Gesundheit der Bevölkerung hat.
Dies zeigt, wie wichtig die Bereitstellung von ÖPNV ist und weshalb bei der Abwägung der Investition auch die positiven Nebeneffekte der Bereitstellung von ÖPNV wie die eingesparten Luftschadstoff-Emissionskosten und Unfallfolgekosten berücksichtigt werden.[10]
Auch im Fernverkehr zeigen Studien zum Ausbau von Hochgeschwindigkeitszügen positive Effekte. Mehrere Studien haben die Umwelteffekte eines Ausbaus des Hochgeschwindigkeitsnetzes in China untersucht und sowohl eine Verbesserung der Luftqualität als auch eine Verringerung der CO2-Emissionen festgestellt.[11] Darüber hinaus zeigen sich sogar auch positive Effekte für benachbarte Städte.
Insgesamt sind die positiven Auswirkungen des ÖPNV auf Emissionsminderung, Luftqualität und andere Zusatznutzen wie gesundheitliche Aspekte offensichtlich. Für eine Ausweitung des Angebots bedarf es spezifischer und fein abgestimmter Lösungen für einzelne Städte oder Regionen. Zusätzlicher Verkehr sollte dabei heute auch möglichst emissionsfrei bereitgestellt werden – wir begleiten gerne den Veränderungsprozess und unterstützen bei der strategischen Entwicklung.
[1] Umweltbundesamt (2024): Vergleich der durchschnittlichen Emissionen einzelner Verkehrsmittel im Personenverkehr- Bezugsjahr 2022. URL: https://www.umweltbundesamt.de/themen/verkehr/emissionsdaten#verkehrsmittelvergleich_personenverkehr_tabelle (abgerufen am 17.01.25)
[2] Eine Übersicht über die verschiedenen Methoden zur Messung der Auswirkungen des ÖPNV auf die Luftqualität findet sich in der folgenden Quelle: Cropper, M., & Suri, P. (2024). Measuring the air pollution benefits of public transport projects. Regional Science and Urban Economics, 107, 103976.
[3] Basagaña, X., Triguero-Mas, M., Agis, D., Pérez, N., Reche, C., Alastuey, A., & Querol, X. (2018). Effect of public transport strikes on air pollution levels in Barcelona (Spain). Science of the total environment, 610, 1076-1082.
[4] González, L., Perdiguero, J., & Sanz, A. (2021). Impact of public transport strikes on traffic and pollution in the city of Barcelona. Transportation Research Part D: Transport and Environment, 98, 102952.
[5] Bauernschuster, S., Hener, T., & Rainer, H. (2017). When labor disputes bring cities to a standstill: The impact of public transit strikes on traffic, accidents, air pollution, and health. American Economic Journal: Economic Policy, 9(1), 1-37.
[6] Ewing, R., Tian, G., Spain, A., & Goates, J. P. (2014). Effects of light-rail transit on traffic in a travel corridor. Journal of Public Transportation, 17(4), 93-113.
[7] Miller, P., de Barros, A. G., Kattan, L., & Wirasinghe, S. C. (2016). Public transportation and sustainability: A review. KSCE Journal of Civil Engineering, 20(3), 1076-1083.
[8] Kwan, S. C., & Hashim, J. H. (2016). A review on co-benefits of mass public transportation in climate change mitigation. Sustainable cities and society, 22, 11-18.
[9] Bauernschuster, S., Hener, T., & Rainer, H. (2017). When labor disputes bring cities to a standstill: The impact of public transit strikes on traffic, accidents, air pollution, and health. American Economic Journal: Economic Policy, 9(1), 1-37.
[10] Intraplan / VWI Verkehrswissenschaftliches Institut Stuttgart (2023). Standardisierte Bewertung von Verkehrswegeinvestitionen im öffentlichen Personennahverkehr- Version 2016+. URL: https://bmdv.bund.de/SharedDocs/DE/Anlage/E/standardisierte-bewertung-2016plus-verfahrensanleitung.pdf?_blob=publicationFile (abgerufen am 17.01.25)
[11] Lee, W. S., Tran, T. M., & Yu, L. B. (2023). Green infrastructure and air pollution: Evidence from highways connecting two megacities in China. Journal of Environmental Economics and Management, 122, 102884.
Jia, R., Shao, S., & Yang, L. (2021). High-speed rail and CO2 emissions in urban China: A spatial difference-in-differences approach. Energy Economics, 99, 105271.
Liu, Q., Li, H., Shang, W. L., & Wang, K. (2022). Spatio-temporal distribution of Chinese cities’ air quality and the impact of high-speed rail. Renewable and Sustainable Energy Reviews, 170, 112970.
28. Januar 2025