Shared Mobility 2020: Bestandsaufnahme und Ausblick

Von Max Kubisch und Benjamin Regorz, 7. Februar 2020

Mit der Einführung von mietbaren E-Scootern hat sich das Mobilitätsumfeld und Stadtbild vieler deutscher Ballungszentren verändert. Zigtausende dieser kurzweiligen Mobile ergänzen bereits das städtische Mobilitätsangebot und man darf davon ausgehen, dass es in den nächsten Jahren noch deutlich mehr werden. Oder nicht? Wir schauen genauer hin, wie sich verschiedene Bereiche der Shared Mobility verändert haben und zeigen am Beispiel der Angebote in Hamburg auf, dass es in einem dynamischen Marktumfeld nicht nur ein „Vorwärts“ gibt.

Carsharing Angebot in Großstädten wächst

Seit März 2019 bietet die weltweit agierende Autovermietung SIXT dezentral abgestellte Fahrzeuge zur Kurzzeitmiete in Hamburg an. Unter dem Namen SIXT share und mit neuartigem Preissystem will man den etablierteren Anbietern Car2Go, DriveNow, MILES und Oply Marktanteile streitig machen. Diese reagieren auf ganz unterschiedliche Art und Weise: Oply erweitert sein Geschäftsgebiet deutlich und steht nun auch in weniger zentralen Stadtteilen zur Verfügung. Car2Go und DriveNow bilden ein Joint-Venture und bündeln seit November ihre Aktivitäten als größter Carsharing Anbieter unter dem Markennamen ShareNow. VW kündigt an, ab 2020 mit dem Dienst WeShare 1.000 neue Elektroautos in Hamburg anzubieten. Insgesamt stehen in Deutschland derzeit über 20.000 Fahrzeuge zum Carsharing bereit, davon rund 3.000 in Hamburg.

Bike Sharing Markt ist umkämpft

Wer sich lieber auf zwei anstatt vier Rädern fortbewegt, kann sich zwischen Fahrrad, E-Scooter und E-Roller entscheiden. Bike Sharing ist die etablierteste Form und boomt seit Jahren. Der Hamburger Marktführer StadtRad, eine Kooperation der Hansestadt mit Deutsche Bahn Connect, baut seine Position mit 31 neuen Verleihstationen auf insgesamt 253 weiter aus. Aufgrund der starken Marktposition gibt es nur wenige andere Anbieter in Hamburg und so versuchen es die großen Bike Sharing Konkurrenten wie Byke, mobike oder nextbike primär in anderen Städten, teilweise ohne Stationen als sogenanntes Freefloating.

Diesen stationsunabhängigen Ansatz verfolgen auch die E-Scooter Anbieter circ, Lime, TIER und voi, die allesamt im Juni 2019 an den Start gingen und allein in Deutschland mehr als 30.000 Roller zur dezentralen Leihe anbieten. Etwas länger am Markt sind E-Roller, jedoch musste der Betreiber emmy im September 2019 sein Hamburger Angebot aufgrund von Akkuproblemen vorübergehend einstellen.

Blickpunkt E-Scooter

Der Nutzen von E-Scootern wird nicht nur in den Medien kontrovers diskutiert: Auf der einen Seite proklamieren die Anbieter, „die Fortbewegung im städtischen Verkehr revolutionieren zu wollen“ (Lime) und dabei zu helfen, „die überfällige Verkehrswende endlich einzuleiten“ (TIER). Auf der anderen Seite häufen sich Beschwerden über verstopfte Fuß- und Radwege oder rücksichtslose Scooter-Fahrer; zudem wurden kritische Berichte zur Lebensdauer der Batterien veröffentlicht.

Eine erste Umfrage des Meinungsforschungsinstituts yougov zeigt zudem, dass E-Scooter vorrangig zum Vergnügen und weniger aus verkehrlichen oder umwelttechnischen Gründen genutzt werden. Aber gewiss ist auch, dass die Einführung und daraus resultierende Aufmerksamkeit vielen Menschen die Frage nähergebracht hat, wie sie selbst ihre Mobilität gestalten wollen. Andere Studien aus dem Ausland sowie von Nunatak für Deutschland zeigen hingegen, dass E-Scooter eine wichtige Rolle in einem nachhaltigen Mobilitätsmix für relevante Zielgruppen spielen können.

Der Hype und die große Aufregung sind vermutlich schon vorbei. Welchen Beitrag E-Scooter wirklich zu der Verkehrswende leisten können, werden wir in den kommenden Monaten und Jahren beobachten.

On Demand Services werden bedeutender

Neben dem Mietgeschäft wachsen insbesondere die On Demand Services. Prominestester Vertreter in Hamburg ist seit Juli 2019 die VW-Tochter MOIA, die zunächst mit 200 Elektrokleinbussen begann und aktuell eine Flotte mit rund 300 Fahrzeugen betreibt. Die geplante weitere Aufstockung auf 500 MOIA-Fahrzeuge ist einer der Gründe, warum sich die DB-Tochter CleverShuttle auch aus dem Hamburger Markt zurückzog. Gleiches beschließt CleverShuttle auch in Frankfurt und Stuttgart, dort aber aufgrund von Problemen mit dem Personenbeförderungsgesetz. Der Anbieter ioki hingegen kooperiert eng mit dem ÖPNV (Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein) und setzt mit seinen britischen Taxi-Fahrzeugen auf eine Ausweitung des Geschäftsgebiets in bestimmten Stadtteilen.

Dazu kommen verwandte Services wie Ridehailing und Ridematching. Hier dominiert FreeNow als Nachfolge-App von myTaxi den deutschen Markt und bietet mit Match-Varianten Möglichkeiten zum Sparen durch geteilte Taxifahrten. Ergänzt wird das Mobilitäts-Angebot um die Vermittlung sogenannter Rides, bei denen es sich um bestellte Fahrer mit PKW und Personenbeförderungsschein handelt. Das Modell ähnelt dem von Uber, die nach einem jahrelangen Genehmigungsprozess ebenfalls seit Juli 2019 ihre Services in Hamburg anbieten.

Datengestützte Shared Mobility Planungen

Parallel hat die Stadt Hamburg – zusammen mit Wunder Mobility – die erste Datenplattform für Sharing Angebote etabliert. Mithilfe der Plattform werden die Daten der Mobilitätsanbieter aggregiert und visualisiert. Ziel ist, die analysierten Daten als Basis für transparente Bewertungen zukünftiger Entwicklungen und Planungen von Angeboten sowie Infrastruktur zu nutzen.

Als Reaktion auf diese Entwicklung und deren Zukunft stellen sich insbesondere Besteller*innen und Betreiber*innen Fragen wie:

  • Werden sich Shared Mobility Angebote weiter etablieren, so dass wir zukünftig keine eigenen Fahrzeuge mehr besitzen, sondern alle mit unseren Mitbürgern*innen teilen?
  • Sind die aktuellen Sharing Geschäftsmodelle ökonomisch und ökologisch wirklich nachhaltig (siehe z.B. aktuelle Pressemeldungen zu MOIA)?
  • Wie werden sich die klassischen ÖPNV-Angebote von Unternehmen und Verbünden entwickeln?
  • Welche Kooperationen zwischen privaten Mobilitätsanbietern, ÖPNV und Kommunen sind sinnvoll?
  • In wie weit werden Städte und Kommunen bei der Regulierung, Steuerung und Planung neuer Angebote im Bereich Shared Mobility mitreden können?
  • Wie wird sich das Personenbeförderungsgesetz ändern und was bedeutet dies für die aktuellen und zukünftigen Angebote?

 

Ziel muss es ein, die neuen Mobilitätsangebote intelligent zu steuern und sinnvoll mit den konventionellen ÖPNV-Leistungen zu verknüpfen oder zu integrieren. Wir freuen uns darauf, unsere Kunden bei der Bearbeitung dieser spannenden Fragen weiter zu unterstützen.

04. April 2020